Fluthilfe-Einsatz Euskirchen 2021

(Lesezeit: ca. 8 min., aber es lohnt sich!)

Geplant war in diesem Sommer eigentlich eine längere Wanderung im Bayerischen Wald, mit allem was für Pfadfinder so dazugehört. In unseren Vorbereitungen hörten wir immer wieder in den Nachrichten von der Flut in Euskirchen, Ahrweiler und Co. Als dann die Ausschreibung der Bundesleitung kam, dort tätig zu werden und Kindern und Jugendlichen eine Beschäftigung zu bieten, dauerte es nur noch eine kurze Leiterrunde, die einstimmig beschloss: Wir wollen da hin, vorausgesetzt alle Teilnehmer des eigentlich angesetzten Hajks sind einverstanden. Doch auch unsere Jugendlichen zögerten nicht lang, und so schnappten wir uns drei Autos und machten uns mit 13 Rangers auf den für uns ziemlich langen Weg nach Euskirchen. 

Dort wurden wir herzlich willkommen geheißen, und man zeigte uns die ersten Bauten in dem Camp, wo für die nächsten Wochen die Kinder beschäftigt werden konnten und teilte uns erste Erfahrungen mit den Kindern mit. Sehr wertvoll, denn es war ein bewusst sehr offenes Angebot, wo vor allem Kinder waren, die keine Ranger sind und damit auch unsere Regeln während unserer Stammtreffen und Camps nicht kannten. Dennoch, oder gerade deshalb, half uns aber unsere sonst so strukturierte Arbeitsweise, denn wir begannen die Tage stets mit einer gemeinsamen Runde aller Kinder, die an diesem Tag da waren. Die Anzahl schwankte in unserer Woche, in der wir dienten, zwischen 40 und über 60 Kinder täglich, manche kamen jeden Tag, andere nur ein oder zwei Mal. In dieser Runde sangen wir Lieder und machten vor allem Spiele, es gab ein Gebet für den Tag und danach waren die Kinder in die freie Zeit entlassen, wo sie auf dem Gelände sich austoben konnten, oder auch in manchen Workshops etwas basteln oder ähnliches. Immer wieder kamen neue Mitarbeiter der Rangers dazu und andere gingen, sodass sich unser Team ständig dynamisch veränderte und jeder seine Gaben und Erfahrungen in verschiedenster Weise einbringen konnte. 

Gerade zum gemeinsamen Mittagessen kamen wir mit den Kindern auch in persönliche Gespräche, einige erzählten von ihren unmittelbaren Erlebnissen mit der Flut. Zum einen denke ich hier an ein Geschwisterpaar, die zu diesem Zeitpunkt nur besaßen, was sie am Leib trugen. Während unserer Betreuung war die Mutter in der Gegend unterwegs und besorgte weitere Anziehsachen für die Kinder, und versuchte eine Bleibe für die Familie zu finden (gegenwärtig waren sie bei Freunden untergekommen, mussten sich als Familie allerdings auftrennen). Diese beiden Kinder strahlten trotz ihres Verlusts eine große Freude aus und entwickelten in der Woche eine echte Leidenschaft für die Pfadfinderei, wo ich mir sicher bin sie auch wiederzusehen. Abgesehen von der jeden Tag ausformulierten Dankbarkeit der Mutter bemerkten wir, dass auch sie sich mehr dem Glauben an Jesus zuwendete, mehrmals mit dem örtlichen Pastor Markus und seiner Frau Ophelia im Gespräch war und ihre Initiative zur Hilfe Notleidender Familien dort mit einklinkte. Zum anderen denke ich an ein junges Mädchen, welches bei einem Regenschauer mit uns unter dem Zeltdach stand und anfing zu weinen. Nach dem Grund gefragt, sagte sie, dass ihr Regen Angst machen würde, denn der letzte Regen hat ihr Haus durchgespült und ihre Kuscheltiere sind nun alle weg und ihr Lieblingsspielplatz ist nicht mehr da. Eine Begegnung, die mich persönlich an den Rand der Tränen rührte, und eines derer war, die mir zeigte, warum wir genau hier und jetzt richtig sind. 

Denn natürlich gab es auch Herausforderungen in diesen Tagen: Zum einen war es das Camp selbst, was organisiert werden musste: Begonnen bei Strom und Wasser, weiter über die Toiletten bis zum Einkaufen wollte gut geplant, was wann wer macht. Natürlich wollten auch hungrige Kindermäuler zur Mittagszeit gestopft werden, und die Leiterschaft am Abend auch die Gemeinschaft in der Runde genießen, sich austauschen und vor allem geistlich auftanken und sich zurüsten lassen für die Herausforderungen des Tages. Gleichzeitig war dieser Abend auch immer die Gelegenheit, mit den Rangers ins Gespräch zu kommen, die in besonders getroffenen Dörfern praktische Arbeit leisteten und von dort ihre Eindrücke, Erlebnisse und Zeugnisse mitbrachten. Andererseits waren wir auf dem Camp auch ganz direkt durch die Kinder herausgefordert. Manchmal war es einfach die schiere Menge an Kids, die viel Kraft kostete, aber auch manche Kinder selbst hatten eine herausfordernden Charakter und gerieten auf dem Platz oft aneinander. Körperliche Auseinandersetzungen konnten wir stets verhindern, und es war ein großes Übungsfeld, Jesu Liebe ganz praktisch und direkt anzuwenden. Es war auch genau diese Liebe, die wir selbst immer wieder in geistlichen Zeiten empfangen haben, welche uns dazu trieb, jeden Tag den Kindern in der Nachmittagsrunde etwas von Jesus mitzugeben. Wir taten das in Form einer Andachtsgeschichte, in der zwei junge Mädchen (eine kennt Jesus und eine nicht) gemeinsame Erlebnisse haben und über ihren Glauben sprechen. So durften wir sehen, dass nach einer Woche und viel Gebet im Hintergrund auch die großen Streithähne auf dem Platz friedlicher wurden. Gerade eine Großfamilie mit undurchsichtigen Verwandtschaftsverhältnissen besuchte uns jeden Tag, und dort kam es zu einem Konflikt, den die Kinder vom Platz auch in die Familie trugen. Einige Missverständnisse führten dazu, dass die Eltern von uns als Betreuer eine Entschuldigung für getätigte Äußerungen hören wollte, die es so nicht gab. Leider war die Kommunikation zu unserer Mitarbeiterin weniger wertschätzend, aber auch hier konnten wir mit der Liebe Jesu die Familie erreichen, dass Missverständnis aus dem Weg räumen und sie einfach auf dem Platz willkommen heißen. Die Familie war nicht vom Hochwasser betroffen, aber nahm gern das offene Angebot an, und wir beten, dass auch ihre Kinder den Weg zu den Rangers und zu Jesus finden.

 

Aus dieser Woche gingen wir Potsdamer merklich erschöpft, aber unglaublich froh es gemacht zu haben wieder auf die Reise Richtung Heimat, und wir haben durch die gemeinsame WhatsApp-Gruppe auch einigen Fortgang auf diesem Camp mitbekommen und sind super dankbar, was Jesus da geschaffen hat. Dabei freuen wir uns sehr, den Stamm Euskirchen mit seinen neuen Rangers im nächsten Jahr auf dem Bundescamp wiederzusehen!

Persönlicher Schlusssatz: Ich bin froh und dankbar, in dieser Woche dort dienen zu dürfen, auch wenn schon zwei Wochen später meine Hochzeit anstand und noch einiges zu tun war. Aber wir haben alles gut hinbekommen und eine wunderbare – unsere ganz eigene – Traumhochzeit gefeiert und danach eine tolle Hochzeitsreise durch Skandinavien genießen können! 

Clemens Morgenroth

Stammleiter RR 355 Potsdam